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  • 12.10.2016

Praxisverkauf aus arbeitsrechtlicher Sicht

Bei einem Praxisverkauf rücken in erster Linie steuerrechtliche Fragen in den Vordergrund. Nicht zu vernachlässigen sind jedoch die arbeitsrechtlichen Aspekte, die eine Praxisveräußerung mit sich bringt. Dieser Beitrag soll einen kurzen Überblick darüber geben, was mit bestehenden Arbeitsverhältnisses im Falle einer Praxisveräußerung geschieht sowie was diesbezüglich bei der Vertragsgestaltung zu beachten ist.

Praxisverkauf stellt in der Regel einen Betriebsübergang im Sinne von § 613a BGB dar. Übernimmt der Erwerber einer hausärztlichen Praxis, in der das Personal und nicht die vorhandenen materiellen Betriebsmittel für das Funktionieren des Betreibens maßgeblich sind, kein Personal, sondern nur die „Kassenzulassung“, findet § 613a BGB keine Anwendung (BAG, Urteil vom 22.06.2011 - 8 AZR 107/10). 

Liegt ein Betriebsübergang vor, so tritt der Erwerber in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Die Arbeitnehmer sollen ihren Arbeitsplatz nicht verlieren und vor einer Veränderung des Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang ohne sachlichen Grund geschützt werden.

Die bestehenden Arbeitsverhältnisse können deswegen weder durch den Veräußerer noch durch Erwerber wegen des Betriebsübergangs beendet werden. Eine solche Kündigung ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung aus anderen Gründen bleibt jedoch unberührt.

Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform über den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs, den Grund für den Übergang, die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer sowie die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen zu unterrichten. Die Informationspflicht ist eine echte Rechtspflicht, sodass eine schuldhafte Verletzung dieser Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers zur Folge haben kann. Dem Arbeitnehmer steht ein Widerspruchsrecht zu, das grundsätzlich innerhalb eines Monats ausgeübt werden kann.

Zu beachten ist, dass eine arbeitsvertragliche Vereinbarung unzulässig ist, die für den Fall eines Betriebsinhaberwechsels den Übergang des Arbeitsverhältnisses ausschließt, da die gesetzliche Regelung diesbezüglich zwingendes Recht darstellt. Die Rechtsfolgen können daher weder durch Vereinbarung zwischen Veräußerer und Erwerber noch durch Vereinbarung zwischen Veräußerer und dem betroffenen Arbeitnehmer ausgeschlossen oder modifiziert werden.

Eine individuelle Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien und dem Erwerber in Kenntnis eines konkreten Betriebsübergangs ist hingegen zulässig, da die gesetzliche Regelung den Arbeitnehmer vor ungerechtfertigten Nachteilen schützen soll, ohne jedoch seine Vertragsfreiheit einzuschränken.

Irina Tenenyk, Rechtsanwältin