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  • 15.10.2015

Causa Charles Friedek

Charles Friedek, früherer Weltmeister im Dreisprung, hat sich im jahrelangen Rechtsstreit mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) um die verpasste Olympia-Teilnahme von 2008 durchgesetzt. Der Bundesgerichtshof (BGH) urteilte am 13. Oktober 2015, dass der DOSB seine Pflicht zur Nominierung schuldhaft verletzt habe und dem Leichtathleten daher ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB zustehe.

Der Deutsche Leichtathletik Verband hatte als Olympianorm das einmalige Überspringen der Weite von 17,10m (A-Norm) bzw. das zweimalige Überspringen der Weite von 17,00m (B-Norm) statuiert. Charles Friedek war beim Meeting in Wesel im Juni 2008 die Weite von 17,00 Metern zweimal gesprungen. Zwischen den Parteien streitig war, ob das zweimalige Erreichen der B-Norm innerhalb eines Wettkampfes für eine Olympia-Nominierung ausreichend ist, oder ob die geforderte Leistung in zwei verschiedenen Wettkämpfen erbracht werden muss.

In erster Instanz erkannte das LG Frankfurt in seinem Urteil vom 15.12.2011 Friedek einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer Verpflichtung zur Nominierung zu. Das OLG Frankfurt hingegen negierte in zweiter Instanz einen Schadensersatzanspruch Friedeks. Der Bundesgerichtshof bestätigte nunmehr in letzter Instanz gleichsam das erstinstanzliche Urteil und sprach Friedek einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB dem Grunde nach zu. 

Eine Nominierung an sich begründe ein Vertragsverhältnis zwischen Sportler und Verband. Daraus folge, dass im Vorfeld der Nominierung – wie im Fall Friedek, welcher letztlich nicht nominiert wurde - eine vorvertragliche Sonderverbindung gegeben sei.

Der DOSB habe eine Pflicht aus dem – vorvertraglichen – Schuldverhältnis verletzt.

Der Begriff der Pflichtverletzung ist objektiv zu verstehen und erfasst grundsätzlich jede Abweichung von dem geschuldeten Leistungs- oder Schutzpflichtenkatalog. Darunter fallen sowohl die vollständige Nichterfüllung bzw. Schlechterfüllung von Leistungspflichten als auch die Verletzung von Schutzpflichten.

Friedek habe – so judiziert der Bundesgerichtshof - gegen den DOSB gemäß den einschlägigen Nominierungsgrundsätzen ein Anspruch auf Nominierung zu den Olympischen Sommerspielen zugestanden. Denn die Nominierungsrichtlinien seien dahingehend auszulegen, dass das zweimalige Erreichen einer Weite von 17,00m in demselben Wettkampf ausreiche. Es lasse sich aus dem Wortlaut der Nominierungsrichtlinie nicht eindeutig entnehmen, dass die vorgegebene Norm in zwei verschiedenen Veranstaltungen erreicht werden müsse. 

Die Nichtnominierung des Athleten trotz bestehendem Nominierungsanspruchs erfülle den Tatbestand einer Pflichtverletzung aus vorvertraglichem Schuldverhältnis. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der DOSB in seinen Nominierungsgrundsätzen festgelegt habe, dass die Erfüllung der Qualifikationsnorm Voraussetzung für die Nominierung sei, die Erfüllung aber noch keinen Anspruch auf die Nominierung begründe. Denn der DOSB habe sich in den von ihm beschlossenen Nominierungsgrundsätzen insoweit einer Selbstbindung unterworfen, dass sein Ermessen auf Null reduziert sei. Allein die Nominierung des Athleten erweise sich bei Erfüllung der geforderten Leistungen daher als pflichtgemäßes Handeln. Im Ergebnis habe der DOSB mithin sein Ermessen nicht pflichtgemäß ausgeübt. 

Das erforderliche Verschulden des Anspruchsgegners wird im Rahmen des § 280 Abs.1 Satz 2 BGB vermutet. Der DOSB habe – so der Bundesgerichtshof - die bestehende Verschuldensvermutung nicht widerlegt. 

Durch die pflichtwidrig unterlassene Nominierung sei Friedek ein Schaden in Gestalt eines entgangenen Gewinns entstanden. Friedek selbst bezifferte den Schaden mit 133.500,00 Euro für nicht vereinnahmte Sponsoren-, Preis- und Startgelder. Über die Höhe des vom Bundesgerichtshof dem Grunde nach zugesprochenen Schadensersatzes muss nun das Landgericht Frankfurt entscheiden.

Grundlagen und Fragen des Nominierungsanspruchs des Sportlers sind seit geraumer Zeit Gegenstand der sportrechtlichen Diskussion. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in der Causa Friedek mag durchaus zu überzeugen. Stellt ein Verband Nominierungsrichtlinien auf, muss er sich an diesen messen lassen. Er unterliegt insoweit einer Selbstbindung, welche sein Ermessen bei Erfüllung der Nominierungsrichtlinien durch einen Sportler auf Null zu reduzieren geeignet ist. Unklarheiten bei der Auslegung statuierter Nominierungsrichtlinien gehen dabei zu Lasten des Verbandes.

Dr. Johannes Wilkmann

Rechtsanwalt