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  • 17.08.2011

BGH: Beratungspflichtverletzung trotz rechtzeitiger Übergabe eines vollständigen und richtigen Prospekts

In seinem Urteil vom 14. April 2011, Az.: III ZR 27/10, äußert sich der Bundesgerichtshof in Anlehnung an seine ständige Rechtsprechung zur Frage einer Beratungspflichtverletzung eines Anlageberaters oder Anlagevermittlers trotz rechtzeitiger Übergabe des der Anlageempfehlung zu Grunde liegenden Prospekts.

Zu Beginn seiner Entscheidungsgründe bestätigt der zur Entscheidung berufene Senat den Grundsatz, dass „eine ordnungsgemäße Erfüllung der bestehenden Aufklärungspflichten gegenüber dem Anlageinteressenten […] auch durch Übergabe von Prospektmaterial erfolgen [kann], sofern der Prospekt nach Form und Inhalt geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln, und dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss übergeben wird, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann“.

Im unmittelbaren Anschluss schränkt der Bundesgerichtshof unter Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung aber wie folgt ein: „Der Umstand indes, dass ein solcher Prospekt Chancen und Risiken der Anlage hinreichend verdeutlicht, ist kein Freibrief für den Berater oder Vermittler, Risiken abweichend hiervon darzustellen und ein Bild zu zeichnen, das die Hinweise und Erläuterungen im Prospekt entwertet oder für die Entscheidungsbildung des Anlegers mindert“.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs verdeutlicht ein weiteres Mal, dass neben den schriftlichen Ausführungen innerhalb des rechtzeitig übergebenen Prospekts auch stets die flankierenden mündlichen Aussagen des Anlageberaters oder Anlagevermittlers in den Blick zu nehmen sind.

Erweist sich schon der Prospekt selbst als fehlerhaft, ohne dass der Berater oder Vermittler auf die Fehlerhaftigkeit des überreichten Prospekts hingewiesen und etwaige Fehler korrigiert hat, stehen die Erfolgschancen eines Haftungsanspruchs ohnehin nicht schlecht. Sind die Angaben des rechtzeitig übergebenen Prospekts als vollständig und richtig zu qualifizieren, schließt dieses eine Beratungspflichtverletzung nicht schon per se aus. Denn sollte der Berater oder Vermittler die Erläuterungen des Prospekts mündlich entwertet, relativiert oder aber für die Entscheidungsbildung des Anlegers gemindert haben, kommt eine Pflichtverletzung trotz rechtzeitiger Übergabe des vollständigen und richtigen Prospekts sehr wohl in Betracht.

 

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