m
  • 06.08.2014

BGH: Kein Schadensersatz wegen unterlassener Aufklärung über die Höhe einer an die Bank fließenden Rückvergütung bei Kenntnis des Anlageinteressenten vom Erhalt einer Provision

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 08.04.2014, Az.: XI ZR 341/12, seine Kick-Back-Rechtsprechung dem Grunde nach bestätigt. Danach hat ein beratendes Bankinstitut den Anleger bei Existenz eines Anlageberatungsvertrages ungefragt über Bestand und Höhe vereinnahmter Rückvergütungen und den damit einhergehenden Interessenkonflikt aufzuklären. 

Aufklärungspflichtige Rückvergütungen sind – regelmäßig umsatzabhängige – Provisionen, die im Gegensatz zu versteckten Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie z.B. Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsvergütungen gezahlt werden, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt. Hierdurch kann beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage entstehen, er kann jedoch das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen. Der Anleger vermag nicht einzuschätzen, ob das beratende Bankinstitut ein konkretes Kapitalanlageprodukt tatsächlich in seinem, des Anlegers, Interesse oder aber im Interesse an der Erzielung einer möglichst hohen Rückvergütung empfiehlt.

Der zur Entscheidung berufene Senat betont zudem die Vermutung aufklärungspflichtigen Verhaltens.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, der Geschädigte den Rat oder Hinweis also unbeachtet gelassen hätte. Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens gilt für alle Aufklärungs- und Beratungsfehler eines Anlageberaters, insbesondere auch dann, wenn Rückvergütungen pflichtwidrig nicht offen gelegt wurden. Es ist mithin nicht der Anleger, welcher darzulegen und zu beweisen hat, dass er das Kapitalanlageprodukt im Falle pflichtgemäßer Aufklärung über Bestand und Höhe von Rückvergütungen nicht gezeichnet hätte. Vielmehr ist es das beratende Bankinstitut, welchem die Darlegungs- und Beweislast dafür obliegt, dass der Anleger das Kapitalanlageprodukt auch im Falle ordnungsgemäßer Unterrichtung erworben hätte, dem pflichtwidrig unterlassenen Hinweis auf Bestand und Höhe von Kick-Backs also ohnehin keine Beachtung geschenkt hätte. Es handelt sich bei der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens nicht lediglich um eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung.

Trotz Bestätigung der vorstehend aufgezeigten Grundsätze versagt der Bundesgerichtshof dem klagenden Anleger in seiner Entscheidung vom 08.04.2014, Az. XI ZR 341 / 12, den begehrten Schadensersatzanspruch wegen Falschberatung.

Im konkreten Fall lagen die Dinge dahingehend, dass der kapitalmarkterfahrene Anleger im Zuge der Zeichnung von Kapitalanlagen regelmäßig nach Preisnachlässen fragte, die er auch erhielt. Auch in Bezug auf den streitgegenständlichen Medienfonds hatte der Anleger um einen Preisnachlass gebeten, diesen aber nicht erhalten. Der 11. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs folgert aus diesem Sachverhalt wie folgt:

„Die Revision macht aber zutreffend geltend, dass der Kläger sich nicht auf die Aufklärungspflichtverletzung berufen kann, weil der Zeuge […] [scil.: der Bankberater] auf die konkrete Nachfrage des Klägers die Mitteilung der Höhe der Provision ausdrücklich verweigert hat, der Kläger danach gleichwohl […] gezeichnet hat. Ein Anlageinteressent, der im Rahmen eines Beratungsgesprächs nach der Höhe der an die Bank fließenden Provision fragt und trotz ausdrücklicher Erklärung des Anlageberaters der Bank, die Höhe der an die Bank fließenden Rückvergütung nicht mitzuteilen, das Anlagegeschäft gleichwohl abschließt, verhält sich widersprüchlich, wenn er später von der Bank Schadensersatz wegen fehlender Aufklärung über die Rückvergütung geltend macht.“

Unabhängig von der fehlenden Pflichtverletzung des beratenden Bankinstituts nimmt der Bundesgerichtshof auch Verjährung an. Dabei bestätigt der zur Entscheidung berufene Senat seine mit Urteil vom 26.02.2013 begründete Rechtsprechung zur Verjährung aus und Zusammenhang mit der Pflichtverletzung der nicht erfolgten Aufklärung über Bestand und Höhe von Rückvergütungen. Danach bedeutet allein die unterbliebene Offenlegung der Höhe empfangener Rückvergütungen zwar eine Pflichtverletzung. Im Gegensatz dazu erfordert der Verjährungsbeginn des Schadensersatzanspruchs wegen verschwiegener Rückvergütung jedoch gerade nicht die Kenntnis des Anlegers von der konkreten Höhe des Kick-Back. In den Worten des Bundesgerichtshofs:

„Die beratende Bank muss den Anleger zwar über Grund und Höhe einer Rückvergütung ungefragt aufklären, so dass die unterlassene Mitteilung über die Höhe der Rückvergütung anspruchsbegründender Umstand ist. Von diesem Umstand hat ein Anleger aber denknotwendig bereits dann positive Kenntnis, wenn er weiß, dass die beratende Bank Provisionen für das von ihm getätigte Anlagegeschäft erhält, deren Höhe in die Bank nicht mitteilt.“

Aktuellen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Kick-Back-Problematik kommt vermehrt Einzelfallcharakter zu. Dem Anleger ist zu raten, vor Anstrengung eines außergerichtlichen oder gerichtlichen Verfahrens den Tatbestand der Pflichtverletzung in Gestalt der nicht erfolgten Aufklärung über Bestand und Höhe seitens des beratenden Bankinstituts vereinnahmter Rückvergütungen sorgfältig zu prüfen. Dabei muss sich der Anleger stets hinterfragen, zu welchem Zeitpunkt er von der Erzielung einer Provision Kenntnis erlangt hat. Dieses gilt insbesondere auch aus und in Zusammenhang mit einer möglichen Verjährung der Pflichtverletzung. War dem Anleger bereits im Zeitpunkt der Zeichnung des Kapitalanlageprodukts oder aber in bereits verjährter Zeit bekannt, dass das beratende Bankinstitut im Zuge der Beratung und Empfehlung des gegenständlichen Kapitalanlageprodukts eine Provision erzielen würde, greift das Argument, die Bank habe es versäumt, über die konkrete Höhe der vereinnahmten Rückvergütung zu unterrichten, in Bezug auf den Einwand der Verjährung nicht durch.

 

Dr. Johannes Wilkmann

Rechtsanwalt

Foto: © eyetronic - Fotolia.com