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  • 15.08.2013

BGH konkretisiert bei gleichzeitiger Bestätigung der Kick-Back-Rechtsprechung die Anforderungen an die Feststellung der Kausalität

Der Bundesgerichtshof hatte sich in seiner Entscheidung vom 28.05.2013, Az.: XI ZR 148/11, erneut mit Schadensersatzansprüchen eines Anlegers wegen nicht erfolgter Offenlegung seitens der Bank vereinnahmter Rückvergütungen, so genannter Kick-Backs, und des damit einhergehenden Interessenkonflikts zu befassen. Der Rechtsstreitigkeit lag eine Beteiligung des klagenden Anlegers an einem Medienfonds zu Grunde.

Der zur Entscheidung berufene Senat stellte eine Pflichtverletzung unter Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung zu Rückvergütungen ohne weiteres fest. Der den Anleger im Vorfeld seiner Zeichnungsentscheidung beratende Mitarbeiter des beklagten Bankinstituts hatte es pflichtwidrig versäumt, den Anleger – ungefragt - über von der Bank erzielte Kick-Backs und deren Höhe zu unterrichten. Entsprechende Informationen vermochte der Anleger auch dem Verkaufsprospekt nicht zu entnehmen. Denn die Beklagte war innerhalb des Verkaufsprospekts nicht als Empfängerin der dort ausgewiesenen Provisionen genannt. Der Anleger war mithin nicht imstande, das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung und Vermittlung gerade des streitgegenständlichen Kapitalanlageprodukts zu erkennen.

Größere Aufmerksamkeit schenkte der für das Bank- und Kapitalmarktrecht zuständige 11. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs der Frage der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden. An die Spitze seiner Betrachtungen stellte der Bundesgerichtshof die Feststellung, dass grundsätzlich die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens zur Anwendung gelange:

„Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, der Geschädigte den Rat oder Hinweis also unbeachtet gelassen hätte. Diese sogenannte "Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens" gilt für alle Aufklärungs- und Beratungsfehler eines Anlageberaters, insbesondere auch dann, wenn Rückvergütungen pflichtwidrig nicht offengelegt wurden. Es handelt sich hierbei nicht lediglich um eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung […]“

Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens – so der Bundesgerichtshof unter Bezug auf seine bisherige Rechtsprechung weiter – greife unabhängig davon, ob sich der Anleger in einem konkreten Entscheidungskonflikt befunden habe:

„Das Berufungsgericht hat des Weiteren im Ergebnis zutreffend angenommen, dass von dieser Beweislastumkehr nicht nur dann auszugehen ist, wenn der Anleger bei gehöriger Aufklärung vernünftigerweise nur eine Handlungsalternative gehabt hätte. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden hat […], ist das Abstellen auf das Fehlen eines solchen Entscheidungskonflikts mit dem Schutzzweck der Beweislastumkehr nicht vereinbar. Die Beweislastumkehr greift vielmehr bereits bei feststehender Aufklärungspflichtverletzung ein.“

Daran anschließend beanstandet der Senat allerdings die Würdigung des Berufungsgerichts, dass dieses den – unter Beweis gestellten – Vortrag der Beklagten, das Provisionsinteresse habe keinen Einfluss auf die Zeichnungsentscheidung des Anlegers gehabt, insgesamt unberücksichtigt gelassen und angebotenen Beweis nicht erhoben hat:

„Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht den Antrag der Beklagten auf Vernehmung des Zedenten als Zeugen für ihre Behauptung, der Anteil, den sie aus den im Prospekt ausgewiesenen Vertriebsprovisionen erhalten hat, sei für die Anlageentscheidung ohne Bedeutung gewesen, unberücksichtigt gelassen.

[…] Dem Beklagtenvortrag ist die Behauptung zu entnehmen, der Zedent hätte die Anlage auch bei Kenntnis von Rückvergütungen erworben. […] Stellte sich der Sachvortrag in der Beweisaufnahme als richtig heraus, stünde die fehlende Kausalität der Pflichtverletzung ohne weiteres fest. Weitere Einzelheiten oder Erläuterungen sind zur Substantiierung des Beweisantrags daher grundsätzlich nicht erforderlich […].

Es liegt auch kein unzulässiger Ausforschungsbeweis vor. Ein solcher ist nur dann anzunehmen, wenn der Beweisführer ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt […]. Die Beklagte hat Anhaltspunkte vorgetragen, die nach ihrer Auffassung zumindest in der Gesamtschau dafür sprechen, dass der Zedent auch in Kenntnis der Rückvergütungen […] gezeichnet hätte. Hierzu gehört das behauptete Anlageziel des Zedenten, dass es ihm allein auf die Steuerersparnis und allenfalls noch Renditechancen und das Sicherungskonzept der Schuldübernahme ankam. Angesichts dessen kann eine Behauptung "ins Blaue hinein" nicht angenommen werden […].“

Der Bundesgerichtshof konkretisiert weiter wie folgt:

„Zwar steht der Umstand, dass ein Anleger eine steueroptimierte Anlage wünscht, für sich gesehen der Kausalitätsvermutung nicht entgegen. Ist die vom Anleger gewünschte Steuerersparnis aber nur mit dem empfohlenen Produkt oder anderen Kapitalanlagen mit vergleichbaren Rückvergütungen zu erzielen, kann das den Schluss darauf zulassen, dass an die Bank geflossene Rückvergütungen für die Anlageentscheidung unmaßgeblich waren.

Dem Vortrag der Beklagten kann entnommen werden, dass sie behauptet, dem Zedenten sei es vordringlich um die bei V 3 zu erzielende Steuerersparnis gegangen, die alternativ nur mit Produkten zu erzielen gewesen sei, bei denen vergleichbare Rückvergütungen gezahlt worden seien. Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag zu Unrecht nicht gewürdigt und den insoweit angetretenen Beweis durch Vernehmung des Beraters W. als Zeugen unbeachtet gelassen.“

Der Bundesgerichtshof knüpft mit seinem Judikat vom 28.05.2013, Az.: XI ZR 148/11, an seine Entscheidung vom 26.02.2013, Az.: XI ZR 318/10, an. Auch darin hatte sich der 11. Zivilsenat detaillierter mit der Frage der Kausalität auseinandergesetzt.

In Ansehung der aktuellen Rechtsprechungstendenzen müssen betroffene Anleger im Zuge einer Beweisaufnahme zukünftig umso mehr mit der Frage rechnen müssen, wie sie sich verhalten hätten, wenn sie um die Praxis der beratenden Bank gewusst hätten, heimlich hinter ihrem, des Anlegers, Rücken Provisionen zu vereinnahmen. Dabei dürfte bereits der Vortrag der Bank, das Provisionsinteresse habe keine Auswirkungen auf die Zeichnungsentscheidung des Anlegers zu entfalten vermocht, regelmäßig eine genauere Prüfung der Kausalität veranlassen.

Dr. Johannes Wilkmann

Rechtsanwalt

 

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