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  • 25.02.2014

OLG Düsseldorf: Bei Swap-Geschäften ist unabhängig von ihrer Komplexität über einen anfänglichen negativen Marktwert aufzuklären

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte sich in seiner Entscheidung vom 07.10.2013, Az.: I-9 U 101/12, mit verschiedenartigen Swapgeschäften zu befassen. Die Anlegerin, eine Kommune, verlangte Schadensersatz auf Grund pflichtwidriger Anlageberatung. Die klagende Anlegerin machte insbesondere geltend, das beratende Bankinstitut habe es im Vorfeld der Investitionsentscheidung versäumt, über einen anfänglichen negativen Marktwert aufzuklären. Das Oberlandesgericht Düsseldorf folgte der Argumentation der Anlegerin:

„Die Beklagte hätte die Klägerin über den anfänglichen negativen Marktwert der Swaps aufklären müssen. Bei der Empfehlung eines Swap-Vertrages, bei dem der Gewinn der einen Seite den spiegelbildlichen Verlust der anderen Seite darstellt, befindet sich die beratende Bank in einem schwer wiegenden Interessenkonflikt. Sie übernimmt eine Rolle, die den Interessen des Kunden entgegengesetzt ist.

[…]

Dieser Interessenkonflikt wird nicht dadurch aufgelöst, dass die Beklagte nicht für die Dauer der Swap-Geschäfte in ihrer so gekennzeichneten Rolle verblieb, sondern die Risiken und Chancen der Geschäfte alsbald durch „Hedge-Geschäfte“ an andere Marktteilnehmer weitergab. Das war nur möglich, weil sie zu Vertragsbeginn einen negativen Marktwert in die streitgegenständlichen Swaps ein strukturiert hatte.“

Der anfängliche negative Marktwert eines Swap-Geschäfts könne – so das Oberlandesgericht Düsseldorf weiter – auch nicht mit einer nicht aufklärungsbedürftigen Marge der Bank gleichgesetzt werden. Denn der anfänglichen negativen Marktwert erschöpfe sich gerade nicht in der Erkenntnis einer von der Beklagten einstrukturierten Marge, sondern sei eine notwendige Grundlage für eine eigenverantwortliche Entscheidung des Kunden über den Abschluss von Swap-Geschäften.

Zum Umfang der erforderlichen Aufklärung des Anlegers führt der zur Entscheidung berufene Senat wie folgt aus:

„Soweit die Beklagte geltend macht, [sie] habe die Klägerin jedenfalls der Sache nach über die maßgeblichen Zusammenhänge unterrichtet, genügten diese […] Hinweise nicht den Anforderungen an eine objektgerechte Beratung. Insbesondere reicht es nicht aus, zu erklären, dass Swap-Geschäfte überhaupt einen sich ändernden (positiven oder negativen) Marktwert haben, dass die Beklagte in die Swaps jeweils eine Gewinnmarge eingepreist hatte und dass sie an der Geld-Brief-Spanne durch Hedging-Geschäfte verdiente. Alle diese Informationen sagen nichts darüber aus, wie der Markt bei Abschluss eines Swaps dessen zukünftige Entwicklung prognostiziert, dass diese Prognose im anfänglichen negativen Marktwert Ausdruck findet und dieser Marktwert nicht nur die Gewinnspanne der Beklagten abbildet, sondern anzeigt, dass der Markt die Wahrscheinlichkeit eines Verlustes der Klägerin höher als die eines Gewinns einschätzt. […] Im Ergebnis ist die Beklagte ihren Aufklärungspflichten in Bezug auf den anfänglichen negativen Marktwert der streitgegenständlichen Swap-Geschäfte nicht nachgekommen. Dabei ist unerheblich, ob die Klägerin wusste, dass die Beklagte ihren Gewinn nicht allein aus den Gegengeschäften erzielte, und ob ihr bekannt oder aus haushaltsrechtlichen Gründen sogar daran gelegen war, dass die Beklagte keine gesonderte Beratungsvergütung erhob, sondern ihre Unkosten und ihren Gewinn in die Swaps selbst einstrukturierte. Entscheidend ist vielmehr, dass die Beklagte der Klägerin nicht die Erkenntnis vermittelte, dass und in welchem Umfang sie gegen die im anfänglichen negativen Marktwert abgebildeten Erwartungen des Marktes agierte.“

Im Folgenden stellt das Oberlandesgericht Düsseldorf – unter Verweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Spread Ladder Swap aus dem Jahre 2011 - klar, dass der dargelegte Maßstab für eine anleger- und objektgerechte Beratung unabhängig von der Komplexität des jeweiligen Swap-Geschäfts gilt:

„Diese Grundgedanken der ‚Swap-Entscheidung‘ des BGH vom 22.3.2011 gelten uneingeschränkt auch für den vorliegenden Fall von Swap-Geschäften mit Kommunen und unabhängig von der Struktur der abgeschlossenen Swaps. Die hier verletzte Aufklärungspflicht knüpft nicht an die mehr oder weniger komplexe Konstruktion des jeweiligen Swaps, aus der sich weitere Beratungspflichten ergeben können, sondern an die allen streitgegenständlichen Swap-Geschäften eigene Bedeutung des anfänglichen negativen Marktwertes an.“

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf war die Pflichtverletzung der Beklagten für den Abschluss der Swap-Geschäfte durch die Klägerin auch ursächlich. Die Beklagte habe nicht hinreichend dargelegt, dass die Klägerin sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert der Swap-Geschäfte nicht aufklärungsrichtig verhalten hätte. Insoweit legt das Oberlandesgericht Düsseldorf – zutreffenderweise – die Vermutung aufklärungspflichtigen Verhaltens zu Grunde.

Der seitens des Oberlandesgerichts Düsseldorf zu entscheidende Fall zeichnete sich durch einen Rahmenvertrag der Parteien aus. Vor diesem Hintergrund judizierte der erkennende Senat, dass sämtliche Vor- und Nachteile von Swap-Geschäften, welche auf dem Rahmenvertrag beruhten, berücksichtigt werden müssten:

„Für die Ermittlung des Schadens der Klägerin sind alle Vor- und Nachteile, die aus sämtlichen aufgrund des Rahmenvertrages […] eingegangenen Swap-Geschäften erwachsen sind, in eine einheitliche Schadensberechnung einzustellen. […] Durch diese Regelung wird der Rahmenvertrag mit allen Einzelgeschäften zu einer Vertragseinheit ‚verklammert‘. Da eine ‚einheitliche Risikobetrachtung‘ angestellt werden soll, ist stets die gesamte Vermögenslage des Kunden in den Blick zu nehmen. […] Aufgrund der ‚Verklammerung‘ aller Einzelabschlüsse mit dem Rahmenvertrag kann ein möglicher Schaden in der Form ermittelt werden, dass der Gewinn oder Verlust aller mit dem Kunden abgeschlossenen Einzelgeschäften eine Schadensberechnung eingestellt und ein Saldo gebildet wird.“

Schließlich stellt sich das Oberlandesgericht Düsseldorf auf den Standpunkt, dass der von der Beklagten geltend gemachte Einwand der Verjährung nicht durchzugreifen vermag. Insoweit meint der erkennende Senat, die dreijährige Verjährungsfrist gem. § 37a WpHG a.F. sei angesichts einschlägiger Hemmungstatbestände noch nicht abgelaufen. Vor diesem Hintergrund hatte sich das Gericht nicht mit der Frage zu befassen, ob die Regelung gemäß § 37a WpHG a.F. möglicherweise schon deshalb nicht greift, da der Beklagten eine vorsätzliche Pflichtverletzung vorzuwerfen ist. Insoweit hatte die Vorinstanz noch ausgeführt, dass eine Verjährung gemäß § 37a WpHG a.F. nicht eingetreten sei, weil die Beklagte die Pflichtverletzung aus Organisationsverschulden vorsätzlich begangen habe.

Im Gegensatz zu anderen Oberlandesgerichten, meint das OLG Düsseldorf, das beratende Bankinstitut habe bei der Beratung und Vermittlung von Swap-Geschäften unabhängig von deren Komplexität über einen anfänglichen negativen Marktwert stets aufzuklären. Sollte sich dieser Ansatz flächendeckend durchsetzen, spielte dieses Anlegern von Swap-Geschäften in die Karten.

Dr. Johannes Wilkmann

Rechtsanwalt

 

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