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  • 10.06.2011

OLG Stuttgart: Zum Verschulden im Rahmen der pflichtwidrig unterlassenen Aufklärung über Kick-Backs

Das OLG Stuttgart hat die pflichtwidrig unterbliebene Aufklärung über vereinnahmte Rückvergütungen zumindest seit April 2000 als vorsätzlich qualifiziert.

In seinem Urteil vom 16.03.2011, Az.: 9 U 129/10, bestätigt das OLG Stuttgart im Einklang mit und unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Verpflichtung der einen Anleger beratenden Bank zur Offenlegung vereinnahmter Rückvergütungen und des damit einhergehenden Interessenkonflikts ein weiteres Mal. Von besonderer Bedeutung erweisen sich die Ausführungen des zur Entscheidung berufenen Senats zur Frage des Vorsatzes der beratenden Bank.

Nach Ansicht des OLG Stuttgart ist die seitens einer Bank pflichtwidrig unterlassene Aufklärung des Kunden über erzielte Kick-Backs zumindest seit April 2000 (dieser Zeitpunkt entspricht dem Zeitpunkt des Beratungsgesprächs in dem vom OLG Stuttgart zu würdigenden Sachverhalt) als vorsätzlich anzusehen. Die Ausführungen des OLG Stuttgart gipfeln in der nachfolgend zitierten Passage, in welcher auch Überlegungen zur strafrechtlichen Relevanz einer pflichtwidrig nicht erfolgten Unterrichtung über Rückvergütungen angestellt werden:

„Schließlich mangelt es nicht an höchstrichterlicher Rechtsprechung zur Herausgabepflicht von Provisionen durch den Kommissionär bzw. Geschäftsbesorger (BGH, Urt. v. 08.02.1989, XI ZR 70/88; Urt. v. 06.02.1990, XI ZR 184/88; [...]). Insbesondere hat der BGH bereits in der Entscheidung vom 06.02.1998 erörtert, dass das Verschweigen einer solchen Provision gegenüber dem herausgabeberechtigten Auftraggeber eine Straftat darstellen könnte (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB).

Angesichts einer rechtlich vollkommen zweifelsfreien Herausgabepflicht liegt es nahe, das Verschweigen der Bank, die diese Provision für sich behalten will, als vorsätzlich zu bewerten. In Betracht kommt der Tatbestand der Untreue, § 266 StGB oder des Betruges, § 263 StGB. Wer vor gesetzlich normierten und allgemein anerkannten Regelungen und einer auf der Hand liegenden Problematik die Augen verschließt, handelt – auch ohne Rechtsberater – mindestens bedingt vorsätzlich.“

Folgt man der vom OLG Stuttgart vertretenen Ansicht und qualifiziert die unterlassene Aufklärung über Rückvergütungen als vorsätzlich, eröffnen sich dem Anleger neue Anspruchsgrundlagen. Neben den vertraglichen Anspruchsgrundlagen, ließen sich Ansprüche des Anlegers auch vermehrt auf Deliktsrecht, insbesondere auf die Vorschrift des § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. einer strafrechtlichen Norm als Schutzgesetz stützen.

Das Urteil des OLG Stuttgart vom 16.03.2011 ist in Zusammenhang mit dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 29.06.2010, Az.: XI ZR 308/09, zu sehen. Darin hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass eine Bank, welche einen Kunden im Rahmen der Anlageberatung nicht auf an sie zurückgeflossene Rückvergütungen hinweist, sich jedenfalls für die Zeit nach 1990 nicht auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum über das Bestehen und den Umfang einer entsprechenden Aufklärungspflicht berufen kann.

Während der Beschluss des Bundesgerichtshofs die Frage betrifft, ab welchem Zeitpunkt einem beratenden Bankinstitut Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, behandelt das Urteil des OLG Stuttgart nunmehr die Grenze, ab welcher von einer vorsätzlichen Aufklärungspflichtverletzung auszugehen ist.

 

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