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  • 01.01.2017

Flugverspätung von mehr als drei Stunden oder Flugannullierung – stehen Entschädigungsansprüche auch Kleinkindern ohne eigene Sitzplätze zu?

Immer mehr beschäftigen Entschädigungsansprüche nach der EU-Fluggastrechteverordnung (VO) die deutschen Gerichte und Fluggastentschädigungsportale wie etwa Compensation2Go. Die Fälle lassen teilweise interessante Fragen aufkommen – manche von geringerer (Nagetier im Fluggastraum), andere von höherer Praxisrelevanz. Zu letzteren gehört die Frage, wann auch Kleinkinder anspruchsberechtigt sind.

Zunächst einmal zählen auch Kleinkinder zu den Fluggästen im Sinne der VO.

Liegt eine Buchungsbestätigung vor, die das Kind namentlich erwähnt, können sich die Eltern freuen. Es kommt nicht einmal darauf an, ob der Nachwuchs einen eigenen Sitzplatz hat, so das LG Stuttgart (Urt. v. 7.11.2011 – 13 S 95/12) für einen 16 Monate alten Jungen auf seinem Weg nach Mallorca.

Ebenso sah es das AG Düsseldorf (Urt. v. 30.6.2011 – 40 C 1745/11) im Fall einer Einjährigen, die mit ihren Eltern rund sechs Stunden später als vorgesehen auf Kreta eintraf.

Damit kommen auch die ganz Kleinen in den Vorzug des Kundenschutzes. Denn Fluggast ist jeder, der als Flugzeuginsasse nicht zum fliegenden Personal oder zum Flugpersonal zählt.

Einziger Wermutstropfen kann Art. 3 der VO sein, der selbstverständlich auch für Kleinkinder gilt. Danach gehen Fluggäste leer aus, wenn sie kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif reisen, der für die Öffentlichkeit nicht verfügbar ist.

Der Wortlaut „kostenlos“ lässt wohl auch kaum einen Auslegungsspielraum zu. Jedenfalls erkannte das LG Stuttgart im vorgenannten Fall eine Entschädigung selbst bei einem Kleinkind-Tarif in Höhe von EUR 15,00 an. Entscheidend waren einzig die Buchungsbestätigung und die allgemeine Zugänglichkeit des Tarifs.

Auch bei Beförderung mit Flugscheinen, die bei Kundenbindungs- und Werbeprogrammen von Airlines oder Reisebüros ausgegeben werden, scheiden die Ansprüche nicht aus.

Folgende vermeintliche Selbstverständlichkeit musste dagegen durch drei Instanzen gehen, bis eine rechtskräftige Entscheidung getroffen wurde: So hat der BGH (Urt. v. 13.3.2015 – X ZR 35/14) klargestellt, dass ein kostenlos – in dem Fall ebenfalls nach Mallorca – befördertes Kind auch dann keinen Ausgleichsanspruch hat, wenn es kostenlos aufgrund eines öffentlich verfügbaren Tarifs reist. So sind sämtliche Fluggäste, die kostenlos reisen, vom Schutzbereich der VO ausgenommen. Auf die Verfügbarkeit eines solchen "Nulltarifs" für die Öffentlichkeit kommt es nicht an.

 

Alexander Gurevich, Rechtsanwalt