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  • 21.03.2018

Die virtuelle Gesellschafterversammlung bei der GmbH

 

Die fortschreitende Digitalisierung betrifft in hohem Maße auch das Gesellschaftsrecht. Bereits vor Jahren hat deswegen etwa die elektronische Hauptversammlung bei der Aktiengesellschaft (AG) ihren Weg ins Gesetz gefunden. Eine ausdrückliche gesetzliche Möglichkeit zur elektronischen bzw. virtuellen Gesellschafterversammlung bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) fehlt demgegenüber – ein gesellschaftsrechtlicher Nachteil?

Die Versammlung einer Gesellschaft ist ihr elementares Willensbildungsorgan. Das ihr zugrundeliegende gesetzliche Leitbild war lange Jahre ein (physisches) Zusammentreffen der Stimmberechtigten am Ort der Abstimmung. Die sich rasant entwickelnde Telekommunikationsindustrie hat indes längst neue digitale Möglichkeiten zur Versammlung aufgetan, etwa Videokonferenzen oder Online-Chaträume.

Dessen ist sich auch der Gesetzgeber bewusst und ist insbesondere im Bereich des AktG tätig geworden: Seit der Einführung des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie vom 30. Juli 2009 (ARUG) müssen Aktionäre gem. § 118 Abs. 1 S. 2 AktG im Rahmen der Hauptversammlung nicht mehr zwingend physisch anwesend zu sein, um von ihren Mitgliedschaftsrechten ordnungsgemäß Gebrauch zu machen. Die Norm sieht unter dem Vorbehalt einer entsprechenden Satzungsermächtigung vor, dass die Teilnahme und Ausübung der Mitgliedschaftsrechte auch elektronisch erfolgen kann. Der Umstand, dass es für diesen digitalen Fortschritt im Bereich der AG überhaupt einer gesetzlichen Grundlage bedurfte, ergibt sich aus dem aktienrechtlichen Grundsatz der Satzungsstrenge, wonach jegliche Abweichung der Satzung vom AktG einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage bedarf (§ 23 Abs. 5 AktG). Um die Hauptversammlungen der AG zu digitalisieren, war der Gesetzgeber folglich zum Erlass einer gesetzlichen Regelung gezwungen und hat sich in der Folge vom bisherigen Verständnis der Hauptversammlung als Präsenzveranstaltung losgelöst.

Die GmbH genießt im Gegensatz dazu die Freiheit, über die Ausgestaltung ihrer Satzung größtenteils eigenverantwortlich zu entscheiden (Satzungsfreiheit). Auch die gesetzlichen Regelungen hinsichtlich der Gesellschafterversammlung sind grundsätzlich abdingbar (§ 45 Abs. 1 GmbHG). Ihr steht es damit frei, den Gesellschaftern eine elektronische Teilnahme zu ermöglichen. Folglich sind rein virtuelle Gesellschafterversammlung denkbar, sofern der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht.

Fehlt es an dieser gesellschaftsvertraglichen Grundlage, lässt sich über die Zulässigkeit der digitalen Durchführung der Versammlung mangels eindeutiger gesetzlicher Regelung streiten. Denn ein Verzicht der physischen Anwesenheit während der Gesellschafterversammlung lässt sich nicht ohne weiteres mit der personalistischen Struktur einer GmbH vereinbaren. Wünschen die Gesellschafter eine Abweichung von dieser personalistischen Organisation, sollte dies daher unbedingt im Gesellschaftsvertrag verankert werden. Geht die GmbH zu einer Digitalisierung der Versammlung über, ist es darüber hinaus sinnvoll, auch eine Option der elektronischen Beschlussfassung vorzuhalten. Anderenfalls würden die Vorteile der digitalen Versammlung sogleich konterkariert. Sollen auch Vorbereitungsmaßnahmen der Gesellschafterversammlung – insbesondere Einladung und Veröffentlichung der Tagesordnung – virtualisiert werden, ist allerdings Vorsicht geboten. Die Veröffentlichung auf der Internetseite der Gesellschaft oder der Versand per E-Mail stellen den Zugang beim Gesellschafter nicht immer ausreichend sicher. Die Vorbereitung der Gesellschafterversammlung sollte daher vorerst – soweit die Zugangsproblematik im Bereich der Telekommunikation noch nicht umfassend gelöst wurde – jedenfalls ergänzend zur digitalen Verbreitung der gesetzlichen Regelung des § 51 I GmbHG entsprechen. 

Zwar können der Digitalisierung der Gesellschafterversammlung die klassischen Risiken technischer Mittel – etwa technisches Versagen oder Unwägbarkeiten der Datensicherheit – entgegengehalten werden. Dies betrifft gleichwohl den Umgang mit Telekommunikationsmitteln und Technik im Allgemeinen und ist jedem technischen Fortschritt zwangsnotwendig immanent. Für Gesellschafter bietet sich durch virtuelle Beschlussfassungen demgegenüber die Möglichkeit, mit der Geschwindigkeit des internationalen Geschäfts mitzuhalten. In Zeiten erhöhter Mobilität mag die rasche Entscheidungsfindung deswegen einen Wettbewerbsvorteil begründen. Im Übrigen wird die Teilnahme an Gesellschafterversammlungen solchen Gesellschaftern vereinfacht, die ihren Aufenthaltsort weit vom Sitz der Gesellschaft entfernt haben. Die Einbeziehung der Möglichkeit virtueller Gesellschafterversammlungen in den Gesellschaftsvertrag der GmbH bzw. die dahingehende Änderung eines bestehenden Gesellschaftsvertrags kann daher insgesamt eine sinnvolle Alternative ein.

 

Dr. Christian Beckmann, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht

Claire Louis, Stud. Iur.