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  • 06.05.2014

ArbG Rosenheim: Die Umstellung des taktischen Konzepts und der Positionswechsel eines Spielers allein rechtfertigen keine betriebsbedingte Kündigung

Das Arbeitsgericht Rosenheim hatte sich in seinem Judikat vom 23.07.2013, Az.: 1 Ca 621/13, mit der Kündigungsschutzklage eines als Feldspieler aktiven Vertragsfußballspielers zu befassen. Der den Vertragsfußballspieler beschäftigende Verein kündigte das Anstellungsverhältnis ordentlich aus betriebsbedingten Gründen. Als Argument führte der beklagte Verein an, das Bedürfnis für den konkreten Arbeitsplatz des klagenden Fußballspielers sei weggefallen. Es wirkten außer- und innerbetriebliche Ursachen zusammen. Die ausgesprochene Kündigung sei nicht nur Resultat einer nach Wegfall von Sponsorengeldern unternehmerischen Entscheidung, sondern auch Folge einer auf einem Trainerwechsel beruhenden Umorganisation der Mannschaft. Die ursprüngliche Hierarchie innerhalb der Mannschaft – der klagende Fußballspieler war als „Führungsspieler“ in der Schnittstelle zwischen Trainings- und Spielerabteilung etabliert und eingesetzt – könne nicht länger aufrechterhalten werden.  


Das Arbeitsgericht Rosenheim gab der Kündigungsschutzklage des Vertragsfußballspielers statt. Die Kündigung sei nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb der Beklagten entgegenstünden, bedingt. Das zur Entscheidung berufene Gericht legte zunächst den Prüfungsmaßstab schulmäßig dar:

„Als ‚dringende betriebliche Erfordernisse‘ kommen insbesondere wirtschaftliche und organisatorische Umstände in Betracht. Die betrieblichen Erfordernisse müssen dringend sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebs unvermeidbar machen. Diese weitere Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Kündigung die notwendige Folge der betrieblichen Erfordernisse ist. Wenn durch außer- oder innerbetriebliche Gründe die bisherige Einsatzmöglichkeit eines Arbeitnehmers wegfällt, so ist eine Kündigung und dann durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, wenn dem Arbeitgeber eine andere Beschäftigung nicht zumutbar ist. Die Beendigungskündigung muss die ‚ultima ratio‘ sein. Die organisatorischen Maßnahmen, die der Arbeitgeber trifft, um den gewünschten Einsparungseffekt zu erzielen, sind nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Nur wenn die Maßnahme offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sind, kann das Gericht der unternehmerischen Gestaltungsfreiheit die Anerkennung versagen.“

Die gegenüber dem klagenden Vertragsfußballspieler ausgesprochene Kündigung könne nicht aus Gründen einer betrieblichen Umstrukturierung gerechtfertigt werden. Insbesondere sei der Kläger - auch wenn ihm in der Vergangenheit faktisch eine gehobene Position innerhalb des Mannschaftsgefüges zugekommen sei – mit sämtlichen Feldspielern der Beklagten vergleichbar. In den Worten des Arbeitsgerichts Rosenheim:

„Aus dem Arbeitsvertrag des Klägers ergibt sich nicht, dass der Kläger bei der Beklagten als ‚Regisseur‘ bzw. Spielmacher zu beschäftigen ist. Nachdem der Kläger nicht als Torwart bei der Beklagten, sondern als (Mittel-) Feldspieler beschäftigt ist, ist der Kläger mit sämtlichen Feldspielern der Beklagten vergleichbar. […] Die Kammer stimmt mit der Beklagten darin überein, dass die anfallenden ‚Arbeiten‘ von der Mannschaft entsprechend der Aufstellung des Trainers zu erbringen sind. Das bedeutet aber, dass der Trainer seine Spieler entsprechend des von der Beklagten nunmehr die Saison 2013/2014 vorgetragenen Konzepts, dass es ihr für die kommende Saison nicht (mehr) um den Aufstieg in die Zweite Bundesliga, sondern vielmehr um die wirtschaftliche Konsolidierung und sportlich um den Klassenverbleib gehe, einzustellen hat. Es ist Aufgabe des Trainers der Beklagten, dem Kläger die konkreten Spielanweisungen zu verdeutlichen, dass er ‚Gleicher unter Gleichen‘ ist und mannschaftsdienlich spielen soll und muss. Sofern er sich nicht als ‚Team-Player‘ in die Mannschaft einfügen sollte, läge es an der Beklagten bzw. deren Trainer, auf das Verhalten des Klägers auf gegebene Anweisungen zu reagieren.“

Schließlich untermauert das Arbeitsgericht Rosenheim seine Rechtsauffassung durch ein aktuelles Beispiel aus der Fußball-Bundesliga:

„Dass ein neuer Trainer neue taktische Konzepte in einen Fußballverein bringt, infolgedessen die Feldspieler auf ungewohnte Positionen setzt und von diesen Spielern tatkräftigen Einsatz nicht nur auf den angestammten Positionen verlangt, ist gerade derzeit durch den Neubeginn von Pep Guardiola beim FC Bayern München in aller Munde. Weswegen es der Beklagten bzw. dem Trainer der Beklagten nicht möglich sein sollte, in ähnlicher Weise dem Kläger zu vermitteln, dass er sich künftig anders und nicht mehr vor allem als ‚Regisseur‘ bzw. Spielmacher in das Team der Beklagten einzubringen habe, ist für die Kammer nicht nachvollziehbar.“

Das Judikat des Arbeitsgerichts Rosenheim dürfte nicht nur für Vertragsfußballspieler, sondern auch für Berufssportler anderer Mannschaftssportarten von Interesse sein. Es zeigt auf, dass ein Verein eine betriebsbedingte Kündigung nicht allein auf das Argument einer Umorganisation sowohl des Trainingsbetriebes als auch des Mannschaftsgefüges infolge eines Trainerwechsels zu stützen berechtigt ist. Mit Blick auf den Fußballsport stellt das Arbeitsgericht Rosenheim klar, dass im Rahmen der Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sämtliche, bei einem Verein angestellte Feldspieler unabhängig von einer möglicherweise seit Jahren bekleideten Position und unabhängig von einer möglicherweise lange herrschenden Hierarchie grundsätzlich miteinander vergleichbar sind.

Dr. Johannes Wilkmann

Rechtsanwalt