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  • 16.06.2015

Die 50+1-Regel und ihre Ausnahmen

TSG 1899 Hoffenheim folgt Leverkusen und Wolfsburg

 

„Hopp übernimmt die Mehrheit bei 1899 Hoffenheim“ – so oder so ähnlich lauteten die Schlagzeilen im Februar 2015. Hintergrund war, dass die Jahreshauptversammlung des TSG Turn- und Sportgemeinschaft 1899 Hoffenheim e.V. einstimmig beschlossen hatte, dem Mäzen Dietmar Hopp die Stimmrechtsmehrheit in der Gesellschafterversammlung der in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ausgegliederten Fußball-Lizenzspielerabteilung, der TSG Hoffenheim Fußball-Spielbetriebs GmbH einzuräumen. Bisher verfügte der TSG Turn- und Sportgemeinschaft 1899 Hoffenheim e.V. über 51% der Stimmen in der Gesellschafterversammlung, Dietmar Hopp über 49% der Stimmen. Dies wird sich nunmehr zum 01.07.2015 ändern.   

Die Diskussion ist im Lichte der in der Satzung des Deutschen Fußball Bundes (DFB) verankerten – und insbesondere vor dem Hintergrund des Europarechts nicht unumstrittenen – 50+1-Regel zu begreifen. 

Konnten ursprünglich lediglich eingetragene Vereine und Mitglieder des DFB Mannschaften für den offiziellen Fußballspielbetrieb melden, ermöglichte eine Änderung der DFB-Satzung im Jahre 1998 die Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung auf einen externen Rechtsträger. Die Bestimmung gemäß § 16c Abs. 1 DFB-Satzung lautet:

„Vereine der Lizenzligen bzw. Kapitalgesellschaften mit den in sie ausgegliederten Lizenzspielerabteilungen bzw. weiteren wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben erwerben die Mitgliedschaft im Ligaverband mit Erteilung der Lizenz durch den Ligaverband.“  

Seither haben zahlreiche Klubs der Fußball-Bundesligen von der Ausgliederung ihrer Lizenzspielerabteilung auf eine eigenständige Gesellschaft Gebrauch gemacht. Die Gründe sind vielfältiger Natur und erfahren je nach dem konkreten Einzelfall eine unterschiedliche Gewichtung:

·         Professionalisierung der Geschäftsführung

 

·         Professionalisierung der Entscheidungs- und Kontrollstrukturen

 

·         Akquirierung externen Beteiligungskapitals zwecks Erhaltung und / oder Steigerung der nationalen und internationalen Wettbewerbsfähigkeit (Schaffung einer besseren Kapitalausstattung)

 

·         Vermeidung der Gefahr des Verlusts der Gemeinnützigkeit nach den Bestimmungen der Abgabenordnung (AO)

Die Option der Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung ist auf die Rechtsform der Kapitalgesellschaft beschränkt. Es kommt in Betracht die Ausgliederung auf

·         eine Aktiengesellschaft (AG),

 

·         eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) sowie

 

·         eine Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA).

Für die konkrete Auswahl des Gesellschaftstyps im Einzelfall streiten insbesondere, aber nicht ausschließlich, haftungsrechtliche und steuerliche Erwägungen.

Trotz der eröffneten Möglichkeit der Ausgliederung von Lizenzspielerabteilungen auf Kapitalgesellschaften beabsichtigte der DFB, die originär dominierende Position des Vereins zu gewährleisten und eine Fremdbestimmung des sportlichen Wettbewerbs zu vermeiden. Zu diesem Zweck schuf er die 50+1-Regel. Diese findet ihre normative Grundlage in der Bestimmung gemäß § 16c Abs. 2 DFB-Satzung:

„Eine Kapitalgesellschaft kann nur eine Lizenz für die Lizenzligen und damit die Mitgliedschaft im Ligaverband erwerben, wenn ein Verein mehrheitlich an ihr beteiligt ist, der über eine eigene Fußballabteilung verfügt und der im Zeitpunkt, in dem sie sich erstmals für eine Lizenz bewirbt, sportlich für die Teilnahme an einer Lizenzliga qualifiziert ist. Der Verein („Mutterverein“) ist an der Gesellschaft mehrheitlich beteiligt („Tochtergesellschaft“), wenn er über 50 % der Stimmenanteile zuzüglich mindestens eines weiteren Stimmenanteils in der Versammlung der Anteilseigner verfügt.“   

Danach muss der (Mutter-) Verein stets über 50% der Stimmanteile zuzüglich zumindest eines weiteren Stimmanteils in der Gesellschafterversammlung der ausgegliederten Kapitalgesellschaft verfügen. Dieses bedeutet zugleich, dass potentiellen Investoren auf dem Gebiet des deutschen Profifußballs der Weg zu einer mehrheitlichen Beteiligung an der Sportkapitalgesellschaft versperrt ist.

Eine Modifizierung enthält die DFB-Satzung aus und in Zusammenhang mit der Rechtsform der Kommanditgesellschaft auf Aktien. Insoweit heißt es in § 16c Abs. 2 DFB-Satzung weiter:

„Bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien muss der Mutterverein oder eine von ihm zu 100 % beherrschte Tochter die Stellung des Komplementärs haben. In diesem Fall genügt ein Stimmenanteil des Muttervereins von weniger als 50 %, wenn auf andere Weise sichergestellt ist, dass er eine vergleichbare Stellung hat, wie ein an der Tochtergesellschaft mehrheitlich beteiligter Gesellschafter. Dies setzt insbesondere voraus, dass dem Komplementär die kraft Gesetzes eingeräumte Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis uneingeschränkt zusteht.“

Von entscheidender Bedeutung ist danach die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis der persönlich haftenden Gesellschafterin, welche ihrerseits unter dem alleinigen Einfluss des (Mutter-) Vereins zu stehen hat.

Nur in strengen und restriktiv zu handhabenden Fällen sieht die DFB-Satzung einen Ausnahmetatbestand zum Grundsatz der Herrschaft des (Mutter-) Vereins vor:

„Über Ausnahmen vom Erfordernis einer mehrheitlichen Beteiligung des Muttervereins nur in Fällen, in denen ein Wirtschaftsunternehmen seit mehr als 20 Jahren den Fußballsport des Muttervereins ununterbrochen und erheblich gefördert hat, entscheidet das Präsidium des DFB auf Antrag des Ligaverbandes.

Dies setzt voraus, dass das Wirtschaftsunternehmen in Zukunft den Amateurfußballsport in bisherigem Ausmaß weiter fördert sowie die Anteile an der Tochtergesellschaft nicht weiterveräußert bzw. nur an den Mutterverein kostenlos rückübereignet. Im Falle einer Weiterveräußerung entgegen dem satzungsrechtlichen Verbot bzw. der Weigerung zur kostenlosen Rückübereignung hat dies Lizenzentzug für die Tochtergesellschaft zur Folge. Mutterverein und Tochtergesellschaft können nicht gleichzeitig eine Lizenz besitzen.“

Auf vorzitiertem Ausnahmetatbestand beruht, dass die Bayer AG sämtliche Anteile an der Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH hält. Gleiches gilt für die Volkswagen AG aus und in Zusammenhang mit der VfL Wolfsburg-Fußball GmbH. Mit Wirkung zum 01.07.2015 wird nunmehr die Lizenzspielerabteilung des TSG Turn- und Sportgemeinschaft 1899 Hoffenheim e.V. nachziehen. Mäzen Dietmar Hopp unterstützt seinen Heimatverein seit 1989 finanziell und hat damit maßgeblichen Anteil an dem Aufstieg von der Kreisliga A in der Spielzeit 1990 / 1991 bis in die 1. Fußball-Bundesliga in der Saison 2007 / 2008.  

Die 50+1-Regelung wird sich angesichts der jüngsten Entwicklungen auch zukünftig einer regen Diskussion erfreuen. Der Streit um die Wirksamkeit derselben scheint noch lange nicht abschließend geklärt.

 

Dr. Johannes Wilkmann

Rechtsanwalt

 

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